Baldiga

In Berlins lagert, nahezu vergessen, das vermutlich umfangreichste fotografisch-künstlerische Werk, das ein homosexueller Künstler in den Jahren seit dem Auftreten von Aids bis zur letzten großen Aids-Sterbewelle Anfang der 1990er Jahre in Deutschland geschaffen hat. Das Werk hinterließ der Fotograf Jürgen Baldiga (*1959 — †1993). Es findet in seiner künstlerischen wie auch in seiner historischen Qualität nur Beispiele in den USA, wo unter anderem David Wojnarowicz und Marc Morrisroe ihre Homosexualität und die eigene HIV-Infektion zu den Standpunkten des künstlerischen Schaffens machten. Von Baldigas eigenen Abzügen sind zirka 5000 im Schwulen Museum* verwahrt. Außerdem liegen in siebzehn Kartons mehr als dreißig Ordner und Mappen mit Negativen und Kontaktabzügen. Einige Super-8-Filme sowie vierzig von 1979 bis 1993 mit kurzen, impulsiven Einträgen gefüllte Tagebücher ergänzen die Sammlung. In dieser umfänglichen Gestalt stellt Baldigas Hinterlassenschaft vermutlich das außerordentlichste Zeugnis dar, das wir heute in Deutschland von jener »Generation« haben, für die Aids der sichere Tod bedeutete. Diesem historischen Wert steht der künstlerische in nichts nach. Alle Bilder sind aus einem äußerst subjektiven Blickwinkel entstanden und zeigen einen besonderen künstlerischen Ausdruckswillen. Baligas Arbeiten sind deshalb einmalig. Sie zeichnen sich durch eine eigene Handschrift aus, die sich über Jahre nach und nach entwickelt hat.

In Produktion ist der Dokumentarfilm "Baldiga"(Regie: Markus Stein, Buch/Idee/Beratung: Ringo Rösener, Produktion: Hofericher & Jacobs GmbH, Förderung: MDM, BKM, Filmförderung MV, Medienboard Berlin Brandenburg, RBB).

In Vorbereitung ist ein Mongrafie-Projekt zur künstlerischen Verarbeitung der HIV/AIDS-Krise im globalen Westen der 1980er und 1990er Jahre.